Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik, Bauwirtschaft und Baumanagement

Nachlese zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Forschungsbereiche für Baubetrieb und Bauwirtschaft sowie 12. Wiener Gespräche

Bericht: Dipl.-Ing. Maximilian Weigert
Fotos: Klaus Ranger | Bilder-Galerie

Am 28. Oktober 2021 feierten die Forschungsbereiche Baubetrieb und Bauwirtschaft gemeinsam ihren 50 jährigen Geburtstag. Die Veranstaltung fand im Festsaal des Hauses der Ingenieure statt und wurde im Rahmen der 12. Wiener Gespräche durchgeführt, die nach einjähriger Pause nun wieder stattfinden konnten.

Prof. Gerald Goger begrüßte die rund 150 Anwesenden als erster Redner. Er betonte die Verknüpfung der Forschungsbereiche Bauwirtschaft und Baubetrieb und beschrieb diese als zwei kommunizierende Gefäße, da baubetriebliche Neuerungen unweigerlich Änderungen in der Bauwirtschaft mit sich ziehen würden. Es folgte die Ankündigung der Umstrukturierung des Instituts, die auch eine Namensänderung in „Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft“ beinhaltet.

Er bedankte sich beim Dekan Prof. Ronald Blab für die Möglichkeit der Neuausschreibung der Professur von Prof. Andreas Kropik und das Fortbestehen des Forschungsbereichs Bauwirtschaft und Baumanagement. Weiters sprach er Prof. Iva Kovacic und Prof. Christoph Achammer vom Forschungsbereich für integrale Bauplanung und Industriebau für eine gute Zusammenarbeit, sowie dem Team des Baubetriebs, insbesondere Dr. Leopold Winkler, für die funktionierende Arbeit im Forschungsbereich Baubetrieb seinen Dank aus. Die Arbeit am Forschungsbereich zu den Themen Digitalisierung, Lean Management und Ökologischer Nachhaltigkeit tragen durch tiefgehende baubetriebliche Analysen wesentlich zur Standardisierung und Implementierung von Echtzeitdatensystemen bei.

Prof. Gerald Goger begrüßte die Anwesenden.
Prof. Goger am Rednerpult

Im Anschluss trat Rektorin Prof. Sabine Seidler auf die Bühne und gratulierte den Forschungsbereichen zum 50er. Sie hatte den Festschriftsbeitrag von Dipl.-Ing. Oleksandr Melnyk offenbar gelesen und zitierte ihn häufig bei ihrer Rekapitulation der Forschungsbereiche und ihrer Bedeutung für die TU Wien. Auch sie betonte die Wichtigkeit eines interdisziplinären Denkansatzes der Bereiche Baubetrieb und Bauwirtschaft und ging auf die besondere Rolle der Informatik in der Technik ein. Diese würde sich – neben Grundlagenforschung – im Zuge von Digitalisierung der Wertschöpfungsketten ähnlich der Mathematik als Hilfsdisziplin in technischen Fächern etablieren und so wesentlich zur Standardisierung beitragen.

Auch Rektorin Prof. Sabine Seidler war als Festrednerin geladen.
Rektorin Seidler am Rednerpult

Dekan Prof. Ronald Blab, der via Videobotschaft zugeschaltet war, lobte neben der Qualität der Ausbildung am Institut den starken Praxisbezug und machte diesen anhand einer hohen Anzahl an ehemaligen Diplomanden und Dissertanten an den Forschungsbereichen fest. Die Lehre von Baubetrieb und Bauwirtschaft an zwei verschiedenen Lehrstühlen habe sich an der Fakultät für Bauingenieurwesen im deutschsprachigen Raum zum Alleinstellungsmerkmal entwickelt.

Videobotschaft von Dekan Ronald Blab.
Der volle Festsaal, vorne auf der Leinwand Prof. Blab.

Es folgte eine weitere Rede von Prof. Gerald Goger in Vertretung des sich in Kur befindlichen Emeritus Prof. Hans Georg Jodl zur Geschichte des Instituts und der Forschungsbereiche. Diese Thematik wurde jedoch bereits zuvor ausgiebig von Rektorin Seidler erörtert und so verwies er auf die über 400 Seiten starke Festschrift, die in Kombination mit dem alle 5 Jahre erscheinenden Institutsberichts erschien. Darin sei zu lesen, dass beachtliche 21 % aller Diplomarbeiten am Dekanat von den Forschungsbereichen Baubetrieb und Bauwirtschaft abgedeckt würden. Auch er verwies auf die enge Verbindung zur Wirtschaft bei Forschungsprojekten, die sich weiters durch die zwei großen Veranstaltungen zur Dissemination – den Zukunftsfragen des Baubetriebs sowie den Wiener Gesprächen Wissenschaft & Bauwirtschaft – manifestieren. Standing Ovations und einen Blumenstrauß gab es zur Ehrung unserer langjährigsten Personalie, Gabriele Vrbatka, die mit über 32 Jahren mehr als die Hälfte der Institutsgeschichte als Mitarbeiterin durchlebt hat.

Prof. Wolfgang Oberndorfer, ebenfalls schon im Ruhestand und der Vorgänger von Prof. Kropik, war der nächste Redner und referierte im – angekündigten, jedoch unter Zuhörer:innen dennoch nicht unumstrittenen – generischen Maskulinum über den Wandel des Begriffs „Bauwirtschaft“. Die Forschungsthemen zur Zeit seiner Professur (1981 – 2004) waren im Kern dieselben wie heute: Vertragswesen & ABGB, Kalkulation, Netzplantechnik, „operations research“ – mathematische Methoden und Simulationen des Bauprozesses, der optimale Zeitpunkt des Ersatzes von Großgeräten (am Forschungsbereich für Bauverfahrenstechnik wurde kürzlich ein Forschungsprojekt zu Predictive Maintenance von Baumaschinen mittels KI-verarbeiteten Sensordaten abgeschlossen, Anm. des Autors), die interdisziplinäre Verknüpfung der Bereiche Wirtschaft, Recht und Informationstechnik, Wettbewerbsrecht sowie die Ermittlung der Lebenszykluskosten. Der „explosionsartige“ Datenaustausch zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern sei hingegen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen, ebenso wenig die im selben Maße zunehmenden Mehrkostenforderungen, diese seien früher bei einem Glas Wein ausgeschnapst worden. In die Zeit seiner Professur fielen auch die neue Vergabegesetzgebung ab 1993/94 – davor verlief die Vergabe öffentlicher Aufträge laut Oberndorfer „wie im Dschungel“ –, ´neue Modelle der Organisation von Bauprojekten („Bauträger“, „Generalübernehmer“, „Totalübernehmer“, …), Risikoanalysen der Auftraggeber und damit einhergehende Überlegungen zur Abwälzung auf die Auftragnehmer sowie die Einrichtung von Organisationseinheiten mit dem Namen „Bauwirtschaft“ (oder ähnlich) mit Verständnis von Bauvertragsrecht, die sich heutzutage alle größeren Auftraggeber leisten.

Prof. Wolfgang Oberndorfer wurde vor genau 40 Jahren zum Professor für Bauwirtschaft und Planungstechnik berufen.
Prof. Oberndorfer vor dem Rednerpult.

Prof. Andreas Kropik moderierte die 12. Wiener Gespräche mit einem sehr interessanten Impulsvortrag zum statistischen Vergleich der Jahre 1971 und 2021 an. Die 70er Jahre waren von einem zu Ende gehenden Bauboom und einer sehr starken Inflation und Preissteigerung geprägt. Die Einlagezinsen lagen mit mehr als 4 % zum Teil über der Inflationsrate, was heute unvorstellbar wäre.

Die Baukosten je m² stiegen von 400 auf 1.951 € um 3,2 % pro Jahr somit langsamer als das Durchschnittseinkommen. 1971 musste man 1,18 Monate für einen m² arbeiten, heute sind es nur noch 0,71 Monate und somit 40 % kürzer. Für ein Auto (zum Vergleich wurde der damals wie heute verfügbare VW Golf in der Standardausstattung herangezogen) sind es nur noch 8,7 statt 11,2 Monate. Der Anteil der Bauwirtschaft am Gesamt-BIP betrug 1971 8,6 %, 2021 sind es nur mehr 6,9 %.

In seinem Vortrag präsentierte und interpretierte Prof. Kropik noch zahlreiche weitere Statistiken. Am Ende seines Impulsreferats wandte er sich noch der Email zu. 1971 wurde die erste E-Mail versendet, heute sind es um die 300 Milliarden E-Mails pro Tag, wovon allerdings über 60 % Spam sind.

 

 

Die 12. Wiener Gespräche wurden von Prof. Andreas Kropik moderiert.
Prof. Kropik sitzt im Fauteuil auf der Bühne.

Die Teilnehmer:innen der Podiumsgespräche waren allesamt ehemalige Assistent:innen am Institut und stehen jeweils für eines der Jahrzehnte der Institutsgeschichte: Dr. Walter Lunzer von bau control ZT GmbH für die 70er Jahre, Dr. Peter Krammer von der Strabag SE für die 80er-Jahre, Dr. Hubert Hager von der ÖBB Infrastruktur AG für die 90er-Jahre, Dipl.-Ing. Sabine Wimmer von den Wiener Linien für die 00er-Jahre und die selbstständige Unternehmerin DDipl.-Ing. Magdalena Steinbauer für die 10er-Jahre. Gemeinsam mit dem Moderator des Gesprächs, Prof. Kropik, wurden die Fragen diskutiert, was die Gesprächsteilnehmer:innen von ihrer Zeit am Institut mitgenommen haben, wohin sich die Baubranche entwickelt, über aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Branche und über die Entwicklung der Wohnungspreise.

Dr. Walter Lunzer war Assistent am Institut unter Prof. Jurecka – dem Institutsgründer – und war der Betreuer von Prof. Kropik bei dessen Diplomarbeit. Er plädiert für kreative Lösungen für neue Möglichkeiten des leistbaren und nachhaltigen Wohnens. Es benötige hierfür ein Potpourri an Maßnahmen, wie etwa Lehrstandsbekämpfung oder Senkung der Baukosten. Besonders wichtig seien Optimierungsmaßnahmen im untersten qualitativen Bereich, damit Wohnen für alle leistbar wird. Von den in den letzten 10 Jahren gebauten Luxuswohnungen im 1. Bezirk stehen heute über 50 % leer Die Probleme sieht er in der Akquise kompetenter Mitarbeiter:innen, obwohl TU und FHs immer mehr Absolventen hervorbringen. Personen können in gewissem Maße durch Digitalisierung ersetzt werden und das sei gut so, damit die Menschen sich auf ihre Kernaufgaben, das ingenieurmäßige Denken, konzentrieren können. Dafür sei heutzutage nicht nur Fachkenntnis, sondern ein breites Spektrum an Kompetenzen notwendig.

Dr. Walter Lunzer: „Das zentrale Erlebnis des Bauingenieurs muss das Bauen sein“.
Dr. Lunzer im Profil; Blick nach links

Die Baubranche erlebe eine Zäsur, mit BIM sei es vor 5-6 Jahren so richtig losgegangen, inzwischen erleben wir eine Effizienzsteigerung durch Digitalisierung, so Dr. Peter Krammer. Digitalisierung wird derzeit vom Umweltgedanken als Top-Thema abgelöst, man bedenkt bereits beispielsweise zum Zeitpunkt der Planung den Betrieb und den Abriss. Daher habe sich auch die Strabag zum Ziel gesetzt bis 2040 klimaneutral bauen zu wollen. Gleichzeitig sei es unabhängig davon immer schwieriger, hochwertigen und dennoch leistbaren Wohnraum zu schaffen.

Als größtes Problem neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit sieht Peter Krammer die verfügbaren Arbeitskräfte, der geburtenstarke Jahrgang 1964 gehe demnächst in Pension. Entgegenwirken könne man dem mit Effizienzsteigerung und durch Schaffen von Anreizen in Lehrlingsprogrammen. Ingenieure müssen weg von ineffizienten Prozessen hin zu kreativen Prozessen gebracht werden und die Forschung umsetzen, wie auf Baustellen effizienter gearbeitet werden könne. Auch er ist der Meinung, es benötige ein breites Basiswissen, um die kreativen Prozesse anzustoßen.

Dr. Peter Krammer: „Wer schreibt, der bleibt“.
Dr. Krammer im Profil; Blick nach links; seine rechte Hand greift an die Stirn

Dr. Hubert Hager sieht im Trend der Ökologisierung keine Bedrohung, sondern eine Chance. Sie müsse nicht unbedingt teuer sein und werde die Gesellschaft nachhaltig prägen. Möglichkeiten, ökologischer zu handeln sieht er (naturgemäß) durch die Verlagerung von LKW-Transporten auf die Bahn. Er sieht positiv, dass viel in die Schiene investiert wird, zum Beispiel in den Ausbau der S-Bahn, da die einhergehenden Verlagerungseffekte gut für die Umwelt seien. Auch er sieht Schwierigkeiten darin, qualifizierte Mitarbeiter zu akquirieren. Der Ausbildung für Ingenieursberufe muss eine fachlich fundierte Basis zugrunde liegen, nicht nur technisch, sondern auch rechtlich und wirtschaftlich.

Dr. Hubert Hager: „Von der Straße auf die Schiene“.
Dr. Hager von vorne; Mikrofon in seiner rechten Hand; die linke gestikuliert; neben ihm sitzt Dr. Krammer und hört zu

Dipl.-Ing. Sabine Wimmer lobte die in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs getätigte Investitionen, wie den Ausbau des Netzes im Osten von Wien, die politische Zusage für die U2-Verlängerung bis Wienerberg und den Bau drei neuer Straßenbahnlinien. Zum Thema Nachhaltigkeit begrüßte sie neue Ideen im Planungsprozess und aktuelle Forschung zu Themen wie Recycling-Beton und der erweiterten Nutzung von Geothermie. Sie sieht die Mitglieder der Branche gefordert, junge Menschen dazu zu bringen, in die Technik zu gehen, um den Mangel an Fachpersonal auszugleichen.

Dipl.-Ing. Sabine Wimmer: „Wir müssen uns intensiver mit dem Lebenszyklus beschäftigen“.
Frau Dipl.-Ing. Wimmer sitzt im Fauteuil auf der Bühne; spricht ins Mikrofon; daneben sitzt Frau DDI Steinbauer und hört gespannt zu

Einen Einblick in die Arbeit als Projektentwicklerin gab uns Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Magdalena Steinbauer. Sie bewege sich im Spannungsfeld zwischen hochwertigem, nachhaltigem und dennoch leistbarem Bauen. Die Tendenz im Wohnbau gehe zu eher kleineren Wohneinheiten, da klimaneutrale Energieträger (noch) teuer sein und kleine Wohnungen weniger beheizt werden müssen. Ein zu billiges Bauen sei nach ihrer Aussage unmöglich, da die Kosten gedeckt sein müssen. Eine Schwierigkeit seien Unsicherheiten bei den Preisen, vor allem im oberen Segment des Qualitätsstandards – auch durch die Pandemie bedingt.

Sie setze auf maximale Digitalisierung, gleichzeitig dürfe man dabei jedoch nicht auf die Menschen hinter dem Computer vergessen, 50 % der wirtschaftlichen Entscheidungen hängen von „weichen“ Faktoren ab; dem Faktor Mensch. ‚Interdisziplinär‘ sei zwar ein Zungenbrecher aber es sei ungemein wichtig, von anderen Branchen zu lernen, dass eine wechselseitige Befruchtung auch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Startups stattfinde.

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Magdalena Steinbauer: „Um 2.500 €/m² kann man sehr schwer bauen“.
Frau DI DI Steinbauer im Profil, Blick nach rechts; Mikrofon in der Hand

Die Festschrift zum 50-jährigen Bestehen kann als PDF unter unseren Publikationen heruntergeladen werden.

Weitere Impressionen des Abends:

Das volle Foyer unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung.
Die Festschrift.
Im Gespräch.
Prof. Goger im Gespräch mit Rektorin Seidler.
Junge Kollegen.
Die Mitarbeiter:innen des Instituts E234.
Die Podiumsdiskussion.
Fr. Univ.Ass. DI Oswald (li) und Fr. Univ.Ass. DI Raab (re) präsentieren gemeinsam die Festschrift.
Prof. Kropik im Gespräch.
Es wird geplaudert und vernetzt.
Prof. Goger begrüßt von der Bühne aus das Auditorium.
Univ.Ass. DI Gernot Strasser im Gespräch mit Univ.Ass. Dr. Leopold Winkler.
Fr. Prof. Kovacic im Gespräch mit Fr. DI DI Steinbauer und Fr. DI Bogner (v.l.n.r).
Der voll besetzte Festsaal mit Auditorium während der Podiumsdiskussion.
Das Klangvierterl spielt auf.

 Weitere Fotos finden Sie auf der Seite des Fotografen Klaus Ranger.

Das Programm

Das Programm als PDF-Datei.

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