Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik, Bauwirtschaft und Baumanagement

Parlament (2017)

Exkursion zur Interimslokation Pavillon Hof + Redoutensaaltrakt

Bericht: Mariedl Kleemann
Fotos: Leopold Winkler

Nachdem es aus Sicherheitsgründen, nicht möglich war die Baustelle des Parlaments zu besuchen, hielt Prof. DI Hermann Schnell im Pavillon Hof im Ausschusslokal IV einen Vortrag, in dem er die Herangehensweise der Entwicklung des Sanierungskonzeptes und die Schritte der Ausführung der Sanierung erklärte.

Vortrag von Prof. DI Hermann Schnell im Ausschusslokal IV im Pavillon Hof
Alle Exkursionsteilnehmer sitzen an Tischen und hören dem Vortragenden zu.

Im Sommer 2017 hat das Parlament seine neuen, temporären Ausweichquartiere (Pavillons Ring, Burg und Hof, Teile der Hofburg, Gebäude in der Reichsratstraße und im Palais Epstein) bezogen. Im Parlament selbst werden im Moment sensible Objekte und die Haustechnik demontiert, sowie Schutzbauten für die wertvollen Oberflächen der Wände und Stuckatur errichtet. Die Sicherheitsbestimmungen des Innenministeriums sind sehr hoch, so ist jeder Arbeiter namentlich registriert und es wurde jeweils ein Strafregisterauszug durchgeführt.

Die gesamte Vorbereitungszeit für das Projekt betrug sieben Jahre, dafür soll die Bauzeit von drei Jahre und das Budget von € 400 Mio. nicht überschritten werden. Diese lange Vorbereitungszeit wurde von den Bauherren unterstützt und gewünscht um Fehler und Überraschungen, die in ähnlichen Projekten in der Vergangenheit (z.B. Skylink, Klinikum Nord) passiert sind, auszuschließen bzw. einzukalkulieren und vor allem um eine reibungslose Realisierung bewerkstelligen zu können. Von 2011 bis 2014 wurde eine umfassende und sorgfältige Machbarkeitsstudie erstellt. Dafür untersuchte man zum einen genauestens das Gebäude und holte Informationen und Erfahrungswerte von andere Gebäude von Theophil Hansen, wie Musikverein, Hotel Kinsky und Palais Epstein, ein. Zum anderen wurde eine umfassende Recherche von Referenzprojekt in Europa, z.B.  Reichstag in Berlin und Schottische Parlament in Edinburgh, gemacht.

Bei der Untersuchung des Parlaments durch Probebohrungen und Rütteltests wurde der ausgezeichnete Zustand der Mauern festgestellt. Dieser Umstand rührt daher, dass der Architekt Theophil Hansen nur die besten Materialien verwenden ließ. Die Pläne wurde zunächst im Klaftermaß gezeichnet, zur Ausführung kamen, durch die Freundschaft von Hansen zu Hrn. Drascher von Wienerberger, das erste Mal in Wien Meterziegel zur Verwendung.

Die Möglichkeit der Selbstversorgung (Autarkie) ist bis heute für drei Monate durch eine umfangreiche Infrastruktur und hausinternem Fachpersonal gewährleistet. Auch im Grundriss kann man die Absicht, die Kernfunktionen zu schützen, gut erkennen. Im Inneren liegen die Plenarsäle, die durch die umliegenden Büros abgeschottet sind. 1883 wurde das neoklassizistische Gebäude fertig gestellt.
Im 2. Weltkrieg wurden 40% des Gebäudes zerstört, die in den Fünfzigerjahren von der Bauabteilung des Parlaments wiederaufgebaut wurde. Über die Jahre fanden zum Erhalt des Gebäudes immer wieder minimale Reperaturarbeiten statt. Die Instandsetzungen der Rampe und im Zuge dessen der Kellergeschossausbau, sowie die Renovierung der Quadringer waren etwas größere Maßnahmen.

Inzwischen sind Dächer und Haustechnik am Ende ihres Lebenszyklus angekommen. Geltende Anforderungen und rechtliche Bestimmungen können nicht mehr durch Verlängerungen von Ausnahmen geregelt werden. Die Barrierefreiheit, der Arbeitnehmer- und Personenschutz sind nicht gewährleistet, von vielen Räumen wird der max. Fluchtweg von 40m überschritten und Brandschutzanforderungen (z.B. Brandabschnitte) sind nicht gegeben.

Fünf Varianten wurden ausgearbeitet und den Entscheidungsträgern unterbreitet. Dabei wurden unterschiedliche Überlegungen wie „nur notwendigsten Änderungen durchführen“ bis „neues Parlament an neuem Standort errichten“, untersucht und miteinander in wirtschaftlicher Hinsicht verglichen. Es wurden Infomärkte organisiert, um den Abgeordneten sämtliche Vor- und Nachteile und die unterschiedlichen Aspekte aller Varianten vorzustellen. Am 9. Juni 2014 hat der Nationalrat einstimmig die Variante „Nachhaltige Sanierung des Parlaments“ beschlossen. Diese ist zwar ca. € 100 Mio. teurer als ein Neubau, dafür stellt sich aber nicht die Frage, welchem Verwendungszweck man das bestehende Gebäude zuführen soll. Außerdem besteht ein Sanierungsbedarf des Parlaments in jedem Fall, was in Summe dann doch wieder mehr kosten würde.

Demokratie Quartier - Interimslokationen
Plan der einzelnen Trakte der Wiener Hofburg, wo das Parlament Ausweichquartiere hat.

Für das Projekt wurde ein eigenes Gesetz beschlossen, das Parlamentsgebäudesanierungsgesetz. Darin wird das Projekt beschrieben und auch das Budget ist festgelegt. So dürfen die Kosten für die nachhaltige Sanierung € 352,2 Mio. und die Kosten für die Interimslokation und Übersiedlung 51,4 Mio. nicht überschritten werden. Nur durch eine Parlamentsmehrheit kann das Gesetz geändert werden.
Die Risikozuschläge wurden sehr hoch berechnet. Die Budget Basis bilden die Vergleichsprojekte. Durch zuzüglich 30% Reserven für nicht erkennbare Schäden, 24% Nebenkosten und Reserven, 25% Bauherrenreserve, 20% Indexierung und 20% Mehrwertsteuer wird die Budgetobergrenze erreicht. Die Budgetsteuerung kann preiskonstante Ausgaben (z.B. neue Büromöbel) am Ende der Leistungsphase einsparen (Verwendung bestehender Möbel), oder bei Budgetüberschuss weiter bauliche Maßnahmen veranlassen (z.B. 2. zusätzlicher Saal zwischen Stiegenhauskernen).

Das Parlament gründete mit der Bundesimmobiliengesellschaft die Parlamentsgebäudesanierungsgesellschaft m.b.H. mit der Aufgabe der Projektvorbereitung, Durchführung und Abwicklung der Sanierung. Die Projektgesellschaft (51% Parlament, 49% BIG) kann freier und schneller agieren. Die Marktmacht der BIG wird für die Ausschreibung genutzt. Trotzdem wurde die Teil-GU-Ausschreibung zurückgezogen, nachdem die Bieter, trotz Verhandlung, deutlich (25% Aufschläge) über der Kalkulation lagen. Folglich wurde und wird für Einzelgewerke ausgeschrieben und vergeben.

Die Generalplanervergabe verlief durch ein europaweit ausgeschriebenes Verhandlungsverfahren mit Wettbewerbs- und Workshopteil. Als Sieger ging die Bietergemeinschaft Jabornegg & Palffy mit AXIS Ingenieurleistungen hervor. 50 Leute umfasst das Planungsteam. Durch die ständige Synchronisation der Planung mit den Nutzeranforderungen wurde eine 95% Programmstabilität des Raum- und Funktionsprograms erreicht. Es wurde versucht alle zukünftigen Änderungen der nächsten 25 Jahre zu bedenken und einzuplanen. Detailplanung, Ausschreibung und Vorbereitung der Rücksiedlungen sind in Arbeit.

Bauseits werden die Abbrucharbeiten im April 2018 beginnen, dies betrifft vor allem die Decken und das Erdgeschoß. Für die Erdbebensicherheit sind keine Stützen und Verstärkung der Wände notwendig. Die neuen Decken sind ausreichend als horizontale Aussteifung. In die Böden wird die gesamte Technik verlegt, Kühlung und Heizung durch Fernkälte und Fernwärme sowie moderne Elektronik. Das alte Parkett soll wiederverwendet werden. Die Ebene der Beletage bleibt in etwa gleich, das Geschoß darunter wird neu aufgeteilt. Von den 50.000m² Innenflächen waren früher 16.000 m² Hauptnutzflächen. Durch das neue Heizungs- und Lüftungskonzept können die alten Druckluftkammern unter den Plenarsälen als neue Veranstaltungsräume und Sitzungssäle genutzt werden. Das Erdgeschoß erhält neue Besucherbereiche. Durch diese Maßnahmen und andere Raumnutzungsänderungen sowie Zubauten wird es 27.000m² Hauptnutzflächen geben.
Sechzehn Brandabschnitte wurden erstellt, dabei konnten Rauchschürzen vermieden werden und die Anforderungen durch Ertüchtigung der historischen Türen erfolgen.
In vier Lichthöfe, die früher auch zur Lüftung dienten, werden neue Stiegenhäuser mit Aufzügen und Haustechnikschächte gebaut. Sie haben eigenen Fundamente und stehen frei vom Gebäude. Der Dachausbau, in dem sich ein öffentlich zugängliches Restaurant und die Demokratiewerkstatt befinden wird, ruht auf diesen vier Stiegenkernen. Außerdem wird ein neuer Saal zwischen zwei der Siegenhauskerne gehängt.
Der Nationalratssitzungssaal bekommt ein neues begehbares Dach aus elektrochromen Glas, welches das UV Licht bis zu 95% filtern kann, sich also je nach Stärke des Tageslichts verdunkelt. Die Holzverkleidung im Stil der neuen Sachlichkeit aus den Fünfzigerjahren bleibt erhalten. Die Möglichkeit der Bespielungsarten des Saals wird vergrößert. Die bestehende Linie des Hauses wird in Bezug auf Materialwahl und Farbgebung weitergezogen.

Die anderen vier Innenhöfe des Parlaments eigenen sich um die Baustelle zu ver- und entsorgen. Ein Verkehrskonzept mit zwei LKW-Terminals und Schleusenfunktion wurde erstellt um Anrainer möglichst wenig zu beeinträchtigen. Innerhalb der Baustelle können nur kleinere Fahrzeuge eingesetzt werden. Vier Kräne bedienen die Baustelle. Der Abbruch wird durch das Dach des Plenarsaals entsorgt.

Einige Alternativen zu der jetzigen Interimslokation wurden geprüft. Als Ersatzquartiere wurden etwa die alte WU, die alte Postsparkasse, das alte Rechenzentrum und das dort geplante Bürogebäude untersucht. Sie stellten sich jedoch wegen zu hoher Mieten, Investitions- und Rückbaukosten als nicht wirtschaftlich heraus.
Die drei Pavillons beherbergen die Büros und Ausschusslokale. Hier gibt es auch Testflächen für Materialien und Ausstattung des Parlaments.  Der Pavillon Hof ist durch eine Brücke mit der Hofburg verbunden und ermöglicht den Zugang zum großen Redoutensaal, in dem nun der Nationalrat und der Bundestag die nächsten drei Jahre tagen wird.

Exkursionsgruppe im Redoutensaal
Gruppenbild mit Bundesländerwappen, Österreich-Fahne und EU-Fahne

Im Sommer 2020 sollen die Rücksiedlungen stattfinden. Dann beginnt die Optimierungsphase der Betriebsprozesse. Für die reine Inbetriebnahme werden vier Monate angenommen für die Testphase insgesamt ein Jahr. Der Gebäudebetrieb und Wartungsarbeiten wurden in den Planungsprozess einbezogen. So ermöglicht das Beleuchtungskonzept einen Lampentausch der gesamten Beleuchtung von Wartungsgängen. Die Glasdächer sind begehbar und können mit Roboter befahren werden, die Außenfassade ist nur mit Autokränen zu erreichen.

Ab Ende 2018 soll es die Möglichkeit für Fachpersonal geben an Führung durch die Baustelle teilzunehmen. Dafür sollen viertel- oder halbjährlich die Bautätigkeiten für zwei bis drei Tage angehalten werden. Vielleicht findet die Exkursion im nächsten Wintersemester dann doch auf der Baustelle statt.

Univ.Lektor Dipl.-Ing. Norbert RITSCHL am Rednerpult